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Veranstaltungsbericht: „Aufklärung Terroranschlag auf dem Breitscheidplatz“

Die Fraktion Bündnis 90 / Die Grünen im Abgeordnetenhaus von Berlin lud am 21. November 2018 zur Podiumsdiskussion „Aufklärung des Terroranschlags auf dem Breitscheidplatz – über ein Jahr Untersuchungsausschuss im Berliner Abgeordnetenhaus“ ein.

Die Mitglieder der Fraktion im 1. Untersuchungsausschuss „Terroranschlag Breitscheidplatz“, Benedikt Lux (Sprecher) und June Tomiak, die leider kurzfristig erkrankte, wollten die interessierte Öffentlichkeit über die bisherigen Ergebnisse der über einjährigen Arbeit im Untersuchungsausschuss informieren. Gleichzeitig wurde die Situation der durch den Terroranschlag vom 19. Dezember 2016 betroffenen Menschen in den Blick genommen, indem zwei Personen aus diesem Kreis, Astrid Passin und Andreas Schwartz, exemplarisch ihre jeweiligen Erfahrungen nach dem Ereignis schilderten. Die Fraktionsvorsitzende Antje Kapek sprach in ihrem Grußwort u. a. allen Ersthelfer*innen, Helfer*innen vor Ort, den Mitgliedern der Feuerwehr, den Pfleger*innen, den Ärzt*innen und Polizeikräften ihren aufrichtigen Dank aus. Die Bewertung der Vorgänge und der Arbeit des Untersuchungsausschusses übernahm der Autor und Redakteur der Berliner Morgenpost, Ulrich Kraetzer. Um einen Blick auf bereits gezogene Konsequenzen zu werfen, stellte der Senator für Justiz, Verbraucherschutz und Antidiskriminierung, Dr. Dirk Behrendt, die „Zentrale Anlaufstellefür Betroffene von Terroranschlägen und Großschadensereignissen und deren Angehörige“ vor, die als Reaktion auf diesen Anschlag hin eingerichtet wurde.

In ihrem Grußwort führte die Fraktionsvorsitzende Antje Kapek den Anwesenden vor Augen, dass durch den Anschlag vor fast zwei Jahren viele Menschen aus unserer Mitte gerissen wurden, dass deren Angehörige aus dem vorherigen Leben gerissen wurden und dies alles zu einer Zeit, in der die Familie im Mittelpunkt stehe. Der 19. Dezember sei ein Tag, an dem jede und jeder wisse, was sie oder er getan habe. Nach der Begrüßung der Opfer stellte sie dar, dass es dem Parlament und auch der Regierung ein Anliegen sei, die Vorgänge aufzuklären und dafür zu sorgen, dass derartiges in Zukunft nicht mehr passiere.

Weiter betonte sie, dass der Attentäter den Sicherheitsbehörden lange vor dem Anschlag bekannt und Gegenstand mehrerer Verfahren war. Nach dem Anschlag seien brennende Fragen zunächst in den Fachausschüssen im Berliner Abgeordnetenhaus erörtert worden, bis schließlich der Untersuchungsausschuss eingesetzt wurde. Neben der parlamentarischen Aufklärung haben auch der Senat durch den Sonderbeauftragten Bruno Jost und die Polizei selbst die innerbehördlichen Vorgänge aufgearbeitet. Der Senat habe darüber hinaus mit der Einrichtung der „Zentralen Anlaufstelle für Betroffene von Terroranschlägen und Großschadensereignissen und deren Angehörige“ Konsequenzen aus dem Terroranschlag gezogen.

Sie sprach in ihrem Grußwort u. a. allen Ersthelfer*innen, Helfer*innen vor Ort, den Mitgliedern der Feuerwehr, den Pfleger*innen, den Ärzt*innen und Polizeikräften ihren aufrichtigen Dank aus. Weiter dankte sie den Journalist*innen, die den Ausschuss kritisch begleiten oder durch Recherchen auch weitere Ermittlungen in den Ausschüssen anstießen.

Benedikt Lux betonte rückblickend auf die bisherige Arbeit des Untersuchungsausschusses, dass die Anforderungen an die Mitglieder und die Wichtigkeit des Ausschusses größer geworden seien. Die Erhebung einer strafrechtlichen Anklage gegen eventuelle weitere Beteiligte durch den Generalbundesanwalt sei nach jetzigem Stand nicht zu erwarten. Aus diesem Grunde müssen die Vorgänge durch die jeweiligen Untersuchungsausschüsse auch im Interesse der Betroffenen sehr genau aufgeklärt werden. Denn in einem Untersuchungsausschuss sei deren Beteiligung entsprechend einer Nebenklage in einem Strafverfahren nicht möglich. Ebenso sind Politik und Zivilgesellschaft gefragt ihre Solidarität mit den Betroffenen zu zeigen und diese zu begleiten.

Als zentrale bisherige Erkenntnisse stellte er folgende Punkte dar:

  • Der spätere Attentäter wurde ab Mitte 2016 kaum mehr als Gefährder wahrgenommen, sondern lediglich als Drogenhändler. Dies stellte eine fatale Fehleinschätzung dar, wie sich später herausstellte.

  • Die Anmeldung des späteren Attentäters unter vielen Alias-Identitäten war möglich, da die entsprechenden erkennungsdienstlichen Maßnahmen – auch aufgrund des hohen Aufkommens – nicht sofort durchgeführt bzw. die Ergebnisse zu spät oder gar nicht an die entsprechenden Stellen weitergeleitet wurden.

  • Die Abschiebung des späteren Attentäters konnte aufgrund des Verhaltens der tunesischen Behörden nicht durchgeführt werden.

  • Die Berliner Polizei, insbesondere der Staatsschutz, sah sich bei einem knappen Personalstand steigenden Gefährderzahlen und auch daraus resultierend starken Belastungen ausgesetzt.

  • Es fehlte die Verbindlichkeit von Absprachen, die im Gemeinsamen Terrorismusabwehrzentrum (GTAZ) getroffen wurden.

  • Im Juni 2016 wurde die Observation des späteren Attentäters, im September 2016 die Überwachung seiner Telekommunikation eingestellt, so dass seine Bewegungen und auch aktuellen Kontakte nicht nicht mehr auf dem Schirm der Ermittlungsbehörden waren. Hinzu kommt, dass die Einstellung der TKÜ-Maßnahmen der zuständigen Staatsanwaltschaft weitergemeldet wurde.

  • Positiv fiel auf, dass der Zeuge Steiof, Leiter des Landeskriminalamtes Berlin, zu Fehlern in seiner Behörde stand und die Bagatellisierung der Gefährlichkeit des späteren Attentäters bedauerte.

Ulrich Kraetzer wies darauf hin, dass es für ihn als Journalisten ein Ziel sei, so lange wie es nötig sei, an dem Komplex dran zu bleiben. Es gäbe aber bereits Ermüdungserscheinungen in den Redaktionen. Es sei „ein hartes Brett“ darauf zu bestehen, dass man an der Geschichte dran bleiben solle. Er habe wahrgenommen, dass der Manipulationsvorwurf an zwei Polizisten des LKA Berlin wohl der ausschlaggebende Faktor für die Einsetzung des Untersuchungsausschusses gewesen sei. Die Einsetzung des Untersuchungsausschusses habe sich bereits jetzt gelohnt. Die wichtigste Erkenntnis bisher sei, „dass man die Sicherheitsbehörden nicht einfach machen lassen dürfe“. Diese bräuchten Kontrolle. Denn fehlt der Druck, werde man schlampig. Als Beispiel führte er an, dass dem LKA Nordrhein-Westfalen bekannt war, dass sich der spätere Attentäter am 18.02.2016 nach Berlin bewege und entschied als Behörde, die diesen kurz zuvor als Gefährder einstufte, dass dieser in Berlin verdeckt observiert werden solle. Jedoch änderte das LKA Berlin – aus welchem Grund auch immer – die Strategie und sprach diesen offen an. Seiner Meinung nach, sei ein derartiges Vorgehen, egal was dazu geführt habe, nicht verständlich. Für derartige Fälle müssten konkrete Regularien gefunden werden.

Weiter wurde die Gefährlichkeit des späteren Terroristen unterschätzt. Es war wohl herrschende Meinung im LKA, dass er nicht mehr gefährlich sei, wenn er nicht mehr in eine Moschee gehe. Darüber hinaus war spätestens nach dem Anschlag in Nizza bekannt, dass auch Kleinkriminelle zu Terroristen w
erden können. Diese Fehleinschätzungen hätten nicht getroffen werden dürfen. Es mangelte wohl an entsprechendem Fachwissen. Auffällig sei, dass der spätere Attentäter für die Berliner Polizei völlig aus dem Fokus geriet, obwohl er in Nordrhein-Westfalen weiter als Gefährder eingestuft gewesen sei. Hier bedürfe es fester Regularien, wie mit diesen Fällen umzugehen sei.

Darüber hinaus hätten sich Staatsanwaltschaft und Polizei darauf verständigt, den späteren Terroristen aus dem Verkehr zu ziehen, auch aufgrund anderer Delikte und Sachverhalte. Jedoch sei in dieser Hinsicht nichts geschehen bzw. sei dem nicht ausreichend nachgegangen worden. Möglicherweise habe sich „der Laden verselbstständigt“. Die Polizei sei völlig überlastet gewesen und habe die Angelegenheit laufen lassen. Dies sei auch ein Versäumnis der Politik.

Der Untersuchungsausschuss habe sich gelohnt, weil den Dingen im Detail tiefer auf den Grund gegangen werden konnte und mangelhafte Strukturen beleuchtet wurden, die über das Anschlagsgeschehen hinaus gingen. Astrid Passin beschrieb das Ende ihres gewohnten Lebens, als sie am Tag nach dem Anschlag erfahren hatte, dass sie ihren Vater durch dieses Ereignis verloren hatte. Augenblicke wie dieser, als sich Betroffene auf dem Breitscheidplatz zur Gedenkfeier trafen, um sich gegenseitig Trost zu spenden, brannten sich in ihr Gedächtnis ein. Zu den schwierigsten Momenten zähle sie es, wieder „raus zu gehen“ oder auch nur wieder zu lachen. Daneben gäbe es Probleme wieder in den Beruf zu kommen.

Die Betroffenen, deren Sprecherin sie nun sei und deren Interessen sie nun nach außen zu tragen versuche, seien eine kleine überschaubare Gemeinschaft geworden, eine neuer Familienkreis. Dieses sei etwas positives. Sie wies gleichzeitig darauf hin, dass sie das Gesicht des Täters nicht mehr sehen könnten. Er solle ignoriert werden. Es sei so brutal für die Gruppe, dieses Bild immer wieder zu sehen. Sie kämen so nicht zur Ruhe. In diesem Zusammenhang müsse viel Druck auf die Politik ausgeübt werden, um zu zeigen wie schwer es sei, mit dem Erlebten umzugehen.

Zu den Untersuchungsausschüssen führte sie aus, dass die Unterstützung der Regierung bei der Untersuchung der Vorfälle angesichts der eingeschränkten Aussagegenehmigungen und geschwärzter Akten diffus erscheine. Wozu gäbe es Untersuchungsausschüsse, wenn diese Dinge nicht sehen dürften. Des weiteren habe sie mehrmals versucht, die Bundeskanzlerin zu treffen, was dreimal abgelehnt worden sei. Darüber hinaus sei sie aus Sendung im ZDF, in der sie auf die Kanzlerin hätte treffen sollen, ausgeladen worden, was sie erheblich beunruhigt habe. Letztlich fand ein Treffen mit der Kanzlerin doch noch statt. Herr Andreas Schwartz führte aus, er habe den Anschlag erleben müssen, sei schwer am Rücken verletzt worden und habe Menschen sterben gesehen. Ihm bot sich ein Bild des Grauens auf dem Breitscheidplatz. Ihm kam es vor, dass kurz nach dem Anschlag „Funkstille“ geherrscht habe. Dann habe er reines Chaos, ein „beherrschtes Chaos“ erlebt. Alle seien überfordert gewesen. Polizei und Pfleger haben jedoch ihr bestes versucht.

Auch ihn habe es aus seinem Leben gerissen. Er wisse nicht mehr, wie er nach Hause gekommen sei. Er fand sich blutverschmiert im Bett vor. Erst drei Tage später habe er die Polizei aufgesucht, um Hilfe anzusuchen. Diese habe ihn an ein Krankenhaus verwiesen. Im Krankenhaus angekommen sei er wieder nach Hause geschickt worden. So habe er sich zurückgezogen. Er habe erst nach einer Woche festgestellt, was mit ihm passiert sei. Auch seine Traumabehandlung habe nicht angeschlagen. Er berichtete weiter von vielfältigen Problemen mit Behörden, die jeweils wieder neue Gutachten, insgesamt sieben Stück, anforderten. Er frage sich, weshalb nicht ein Gutachten genüge. Er wünsche sich eine Anlaufstelle.

Zu den Untersuchungsausschüssen führte er aus, dass er an den Sitzungen der Ausschüsse im Deutschen Bundestag und im Berliner Abgeordnetenhaus teilnehmen wolle. Er frage sich allerdings, aus welchem Grunde manche Zeugen überhaupt geladen werden. Die Dinge müssten auch beschleunigt werden. Es müsse bedingungslos aufgeklärt werden. Bei der Schwärzung von Akten stelle er sich die Frage, weshalb Abgeordnete bestimmte Dinge nicht lesen dürften. Er frage sich auch weshalb, die Untersuchungsausschuss-Mitglieder im Deutschen Bundestag, eine „Pilgerreise“ in das Bundesamt für Verfassungsschutz machen müssten, um dort entsprechende Akten einzusehen, die sonst nicht vorgelegt werden. Es müsse lückenlos aufgeklärt werden. Er habe tausend Fragezeichen. Es rieche für ihn nach Vertuschung. Die Fakten müssten auf den Tisch. Zu Steiof führte er aus, dass dies die erste Person gewesen sei, die ihr Bedauern ausgedrückt habe. Während der Aussage von Herrn Kandt allerdings habe er den Raum verlassen müssen.

Im Anschluss stellte der Senator für Justiz, Verbraucherschutz und Antidiskriminierung, Dr. Dirk Behrendt, die „Zentrale Anlaufstelle für Betroffene von Terroranschlägen und Großschadensereignissen und deren Angehörige“ vor. Diese Zentrale Anlaufstelle wurde in Reaktion auf den Anschlag auf dem Breitscheidplatz eingerichtet. Auch Betroffene von Großschadensereignissen sollen sich an diese wenden können, da ja nicht sofort klar ist, ob es sich bei einem entsprechenden Vorfall um einen Terroranschlag handelt.

Der Bundesbeauftragte für die Opfer und Hinterbliebenen des Terroranschlags auf dem Breitscheidplatz, Kurt Beck, schlug als einen Lösungsansatz der aufgetretenen Probleme der Betroffenen u. a. vor, auf Bundes- und Landesebene zentrale Anlaufstellen für Opfer eines Anschlages und deren Angehörige zu schaffen, welche in einem derartigen Fall zusammenarbeiten sollen. Die Stellen sollen eine Lotsenfunktion übernehmen. Darüber hinaus sollte auch die psychosoziale Betreuung der Betroffenen sichergestellt werden. Ebenso schlug er vor die Entschädigungszahlungen deutlich zu erhöhen.

Die Zentrale Anlaufstelle des Landes Berlin nahm ihre Arbeit im Juli 2018 mit insgesamt fünf Mitarbeitenden auf und ist als neu geschaffenes Referat in die Justizverwaltung eingegliedert. Im Rahmen ihrer Lotsenfunktion soll sie den Betroffenen Hilfestellung geben, welche Hilfe nach dem jeweiligen Bedarf die jeweils richtige ist und wo diese Hilfen aufzufinden sind. Ebenso ist wichtig, dass im Falle eines Falles auch finanzielle Abfederung geleistet werden kann. In diesem Zuge sind andere Beteiligte der Verwaltung, wie die Polizei, die Feuerwehr, der Berliner Krisendienst, aber auch die Innenverwaltung selbst, aufgefordert, Beauftragte zu benennen, um über diese Kontaktpersonen schnell noch in der Akutphase von 48 Stunden ein Netzwerk zu bilden. Wichtig in diesem Zusammenhang ist auch, dass das Personal mehrsprachig aufgestellt ist. Die Zentrale Anlaufstelle ist arbeitsfähig, hat ihre Arbeit aufgenommen und stellt gerade das entsprechende Netzwerk auch unter Einbeziehung des Bundes auf. Jedoch verbleibt die Personenauskunftsstelle weiterhin bei der Polizei, da die Justiz keine eigenen Auskunftsquellen unterhalte.

Mit der Einrichtung der Zentralen Anlaufstelle wurde die richtige Konsequenz aus der Debatte gezogen. Zuvor war das Land in dieser Hinsicht unzureichend aufgestellt, da es keine Stelle gab, die diese Aufgaben erledigte. Diese sollen empathisch und zugewandt erfüllt werden. Ebenso soll der Austausch mit anderen Bundesländern erfolgen. Im Hinblick auf die noch durch den Untersuchungsausschuss zu bearbeitenden Komplexe benannte Benedikt Lux zunächst den Bereich der verdeckten Informationsgewinnung, insbesondere durch Vertrauenspersonen. Er erwarte hier, dass kei
ne Informationen zurückgehalten werden und die Fakten hierzu auf den Tisch kämen. Seiner Ansicht nach führten wohl alle beteiligten Sicherheitsbehörden im Phänomenbereich entsprechende Vertrauenspersonen. Wir wüssten jedoch nicht wie nah diese an dem späteren Attentäter dran waren. Auch die kriminalpolizeiliche Sachbearbeitung ist noch weiter zu untersuchen. Weiter frage er sich, welche Verantwortung die Behörden des Bundes trügen.

Der Bereich der Staatsanwaltschaft als Herrin des Verfahrens, auch hinsichtlich ihrer Kontrollfunktion gegenüber der Polizei, stehe ebenso wie der Bereich des Verfassungsschutzes noch auf der Agenda. Weiterhin ist noch die politische Ebene zu befragen. Hinsichtlich möglicher Erkenntnisse zeige er sich sehr reserviert, jedoch müsse auch die jeweilige Hausspitze über wichtige Einzelfälle informiert sein. Bei ihm sei bisher der Eindruck entstanden, dass die entsprechenden Verantwortlichkeiten nach unten durchgereicht worden seien. Für Herrn Kraetzer ist ebenfalls der Bereich der Justiz noch offen. Im Rahmen der Vertrauenspersonen ist zu fragen, ob das entsprechend zur Verfügung stehende Mittel auch ausgeschöpft wurde und ob diese entsprechend ordnungsgemäß geführt wurden.

Die strukturelle Frage des Verhältnisses zwischen der Polizei und dem Verfassungsschutz ist ebenfalls noch zu klären. Die Polizei habe sich, wie er finde, sehr weit in den nachrichtendienstlichen Bereich vorgewagt. Der Verfassungsschutz scheint im Fall des späteren Attentäters wohl wenig Aktivitäten entfaltet zu haben. Wenn dem so ist, ist zu fragen aus welchem Grunde dies so war, ob die Dienste eventuell überfordert waren. Ebenso ist zu fragen, weshalb das Bundesamt für Verfassungsschutz den eigenen Angaben zufolge so wenig über den Attentäter gewusst haben will. Frau Passin führte aus, dass es den Opfern an Wertschätzung fehle. Sie stelle sich die Frage, wie viele Verletzte nun ihr Leben finanziert bekommen sollen. In der Situation, in der sich die Opfer befänden, könnten diese nicht auf die Behörden zugehen, nicht den ersten Schritt machen.

Weiter frage sie sich, wie die Betroffenen im Ausland an die jeweiligen Informationen kämen, da selbst die Einladungen zu Gedenkveranstaltungen auf Deutsch gestaltet seien. Sie betonte außerdem noch die wichtige Rolle und die Hilfe des Pfarrers der Gedächtniskirche. Gleichzeitig verwies sie auf die Schwierigkeiten, die Treffen der Betroffenen in Berlin zu finanzieren. Sie fügte an, dass den Betroffenen die Notfallseelsorge geholfen habe. Hinsichtlich der Neufassung des Opferentschädigungsgesetzes bat sie darum, die Betroffenen einzubeziehen. Jedoch sei die Hilfe jetzt benötigt.

Sie stellte darüber hinaus die Forderung nach einem Gedenktag für die Terroropfer auf und verwies auf den Umstand, dass im Nachgang an den Anschlag in Nizza die Strandpromenade über ein Jahr gesperrt blieb, während es hier nichts Vergleichbares gab.
Herr Schwartz bezeichnete es als peinlich, dass die Betroffenen um einen Termin mit der Kanzlerin „betteln“ mussten. Er forderte ebenfalls ein angemessenes Gedenken an die Opfer, z. B. durch einen Gedenktag und durch entsprechende Symbole, denn die zwölf Opfer dürften nicht vergessen werden. Ebenso müsse auch Trauern möglich sein.

Er zollte Frau Passin überdies großen Respekt für deren Engagement. Er frage sich, woher sie die Kraft nehme. Zuletzt kritisierte er den Gang der Untersuchung durch den Ausschuss, da dieser die Vorgänge chronologisch aufarbeite. Benedikt Lux sprach nach Abschluss der Redebeiträge Frau Passin und Herrn Schwartz seine Anerkennung aus. Nach der Beantwortung von Publikumsfragen dankte Herr Lux den Beteiligten für deren Teilnahme und überreichte diesen kleine Aufmerksamkeiten. Bei einem kleinen Imbiss und Getränken klang der Abend bei interessanten Gesprächen nach über drei Stunden aus.

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