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Berliner Erklärung zum Urteil im Verfahren gegen den NSU

Kein Schlussstrich – Gefahren des Rechtsterrorismus erkennen und bekämpfen!

Anlässlich der Urteilsverkündung im NSU-Verfahren erklären Benedikt Lux, innenpolitischer und rechtspolitischer Sprecher, und June Tomiak, Sprecherin für Strategien gegen Rechtsextremismus:

Auch nach dem NSU-Verfahren bleiben für die Angehörigen der Opfer der rechtsextremen Terrorserie noch viele Fragen offen. Die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen im Abgeordnetenhaus von Berlin will weiterhin alles dafür tun, damit sich ein NSU nicht wiederholen kann und damit rechtsterroristischen Gefahren möglichst umfangreich begegnet wird. Auch wollen wir gemeinsam mit den engagierten Angehörigen der Opfer und den Nebenklagevertreter*innen Möglichkeiten sondieren, wie Berliner Bezüge zum NSU weiter aufgeklärt werden können.

1. Dauerhafte Überprüfung, ob der Antrag „Empfehlungen des NSU-Untersuchungsausschusses“ (1) umgesetzt wurde, insbesondere:

  • Analyse und Erfassen rechtsmotivierter Straftaten verbessern
  • Mit Vielfalt kompetent umgehen
  • Eigene Ermittlungen überprüfen
  • Gefahren des Rechtsterrorismus richtig einschätzen

2. Koalitionsvertrag zum Verfassungsschutz umsetzen:

  • Verstärkung der Fachaufsicht (bereits umgesetzt, führte zum Versetzungsantrag Palendas)
  • Staatssekretärsvorbehalt beim Einsatz von V-Leuten
  • präzisere, gesetzliche Dokumentationspflichten
  • anlassbezogene Sperrungen der Aktenlöschung ermöglichen
  • unabhängigen Ermittler für den parlamentarischen Verfassungsschutzausschuss einsetzen

3. Staatsschutz beim LKA reformieren:

  • Polizeipräsidentinnenvorbehalt beim Einsatz von V-Leuten (bereits umgesetzt)
  • systematische Fehleranalyse und Synchronisierung der Erkenntnisse aus dem PUA Breitscheidplatz (2)

4. Der Opferschutz – etwa durch die Zentrale Anlaufstelle für Opfer und Angehörige von Terror bei der Senatsverwaltung für Justiz – wird weiter gestärkt.

5. Cold-Cases: Wir unterstützen die Anstrengungen der Berliner Polizei in sogenannten Cold-Cases neue Spuren zu finden. Gerade ungeklärte Mordfälle mit mutmaßlich rechtsextremem Hintergrund, wie an Burak B., sind schlicht unerträglich und müssen ausermittelt werden.

6. Berliner Bezüge des NSU weiter aufklären – Akteneinsicht und Auswertung des Münchener Prozesses.

Wir beantragen nach dem Urteil Einsicht in alle Berliner Akten und Informationen mit Bezug zum NSU. Wir wollen versuchen, Hinweise auf den Aufenthalt der verurteilten Mörderin vor der Berliner Synagoge in der Rykestraße, sowie weiterer Aufenthalte in Berlin nachzugehen, auch wenn es bislang nur einzelne Zeugenaussagen dazu gibt. Weiterhin wollen wir die Hinweise des Berliner LKA von der Vertrauensperson (VP) und dem mutmaßlichen NSU-Helfers Thomas S. – im Lichte des Urteils und der laufenden Ermittlungen gegen seine Person – erneut auswerten, um zu erkennen, welche Informationen das Berliner LKA hatte und welche es hätte haben können. (3)

Alles in allem fällt es uns schwer zu glauben, dass der NSU und sein Umfeld so wenig Interesse an Berlin hatte. Den Hinweisen auf Kontakte und Aufenthalte des sogenannten Trios in Berlin, der Skandal um die versickerten VP-Hinweise auf die untergetauchten Mörder*innen, sowie die rechtswidrige Aktenvernichtung beim Berliner Verfassungsschutz sind zwar einige Jahre her, nach wie vor bleibt aber viel zu tun, um das erschütterte Vertrauen in die Sicherheitsbehörden wieder herzustellen.

Fußnoten:
(1) http://pardok.parlament-berlin.de/starweb/adis/citat/VT/17/DruckSachen/d17-1565.pdf
(2) Auch im Vorfeld des Anschlags am Breitscheidplatz gibt es etliche Hinweise, dass Spuren nicht konsequent ausgewertet wurden, Abläufe zwischen den einzelnen Sicherheitsbehörden nicht klar strukturiert und der Informationsaustausch erneut mangelhaft war.
(3) Vgl. nur https://www.tagesspiegel.de/politik/der-fall-thomas-s-das-berliner-lka-vertraute-dem-spitzel/7166996.html

Die Berliner Erklärung ist auch auf der Webseite der Fraktion Bündnis 90/ Die Grünen im Abgeordnetenhaus von Berlin zu finden.

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