Sommerupdate – Feuerwehr- und Rettungsdienstnewsletter

Seit meinem letzten Newsletter ist im Bereich Feuerwehr viel passiert – und zugleich viel zu wenig. Der Jahresbericht der Berliner Feuerwehr hat deutlich gemacht, wie gravierend die Situation insbesondere im Rettungsdienst ist. Ich habe in den vergangenen Wochen und Monaten verschiedene Aspekte des Themas mit schriftlichen Anfragen beim Senat vertieft und auch versucht, Presse und Öffentlichkeit auf die Situation hinzuweisen. Mehr findet ihr in den einzelnen Abschnitten dieses Newsletters. Trotz der teilweise notwendigen Kritik am Gesamtergebnis: Für mich ist klar, dass die einzelnen BeamtInnen und Angestellten in der Berliner Feuerwehr und die Mitglieder der Freiwillige Feuerwehr ihr Bestes geben und häufig weit über dem Zumutbaren arbeiten. Dafür gebührt Ihnen mein Dank!

Ich freue mich über Ihr Interesse. Gern können Sie diese Seite auch weiter verbreiten.

1. Jahresbericht 2014 – Verwässerung der Hilfsfrist geplant?

Die Feuerwehr und alle Berlinerinnen und Berliner, die auf sie angewiesen sind, haben eines der schwärzesten Jahre ihrer Geschichte seit dem Mauerfall hinter sich. Insbesondere im Rettungsdienst hat sie alle Ziele deutlich verfehlt. Die Hilfsziele wurden deutlich verfehlt, gerade mal in 38,2% der Einsätze konnten sie eingehalten werden. Zu dem ohnehin schon schlechten Ergebnis bei der Eintreffzeit von 20132 ist die Feuerwehr noch einmal im Schnitt eine Drittel Minute langsamer geworden. Im Schnitt treffen die ersten Fahrzeuge jetzt nach 9,42 Minuten ein. Das Ziel von 8 Minuten wird dramatisch verfehlt. Zum Vergleich: im Jahr 2010, dem letzten Körting-Jahr, waren es immerhin noch 8,69 Minuten im Schnitt.

Vor dem Hintergrund dieser dramatisch schlechten Lage plant der Senat eine Verwässerung der Hilfsfristen. Statt in 75% der Fälle in 8 Minuten, sollen die Wagen dann zu 90% in 10 Minuten eintreffen. Einen entsprechenden Vorschlag hat eine Arbeitsgruppe dem Senator unterbreitet, wie im Feuerwehrbericht nun bestätigt wurde.

Die Bürgerinnen und Bürger haben aber ein Recht auf schnelle Hilfe im Notfall. Dabei ist die schnelle Eintreffzeit entscheidend wichtig für die Patientinnen und Patienten. 8 Minuten sind dabei das wissenschaftlich und medizinisch maximal vertretbare Wert

Nach meinen Informationen hat die Arbeitsgruppe dem Senator auch detailliert aufgeschlüsselt, welchen Investitionsbedarf die Berliner Feuerwehr hätte, um diese aktuellen Rettungsziele endlich zu erreichen. Insgesamt müssten 17 Millionen Euro pro Jahr investiert werden; 24,5 neue Rettungswagen und knapp 300 neue, zusätzliche Stellen sind notwendig. Senator Henkel hat bei der Vorstellung des Jahresberichts angekündigt 13 neue Wagen vor allem über die Hilfsorganisationen anzuschaffen. Presseberichten zu Folge sollen im kommenden Jahr zudem 89 neue Stellen entstehen. Wenn sich diese Zahlen im Haushaltsentwurf – der dem Parlament noch nicht vorliegt – bestätigen, heißt das, dass Henkel die aktuellen Rettungsziele aufgibt. Die angekündigten Stellen und Wagenbeschaffungen reichen hinten und vorne nicht. Als Grüne werden wir dem Feuerwehrsenator dies nicht durchgehen lassen.

2. Sanierungsstau bei den Feuerwachen

Die Wachen der Berliner Feuerwehr und der Freiwilligen Feuerwehr sind geradezu in einem Stadium des Verfalls. 140 Millionen Euro beträgt der Sanierungsrückstand. In 64 (!) Gebäuden der Berliner Feuerwehr besteht akute Gefahr für Leib und Leben oder Sachwerte. Allein um diese Schäden zu beseitigen sind 41 Millionen unverzüglich zu investieren. Das geht aus der Antwort des Senates auf eine schriftliche Frage von mir hervor. Es ist unverantwortlich gegenüber den MitarbeiterInnen, dass diese Gebäude weiterhin genutzt werden.

Durch das „Siwa“-Programm des Senates werden nun knapp 9 Millionen Euro investiert, vor allem in Gebäude der Freiwilligen Feuerwehr und in einen Modulbau der Feuerwehr- und Rettungsakademie. Ein verbindlicher Plan für den Abbau des Sanierungsstaus ist nicht in Sicht. Der Tagesspiegel berichtete über die Anfrage und das Thema.

3. Weniger Personal als 2004 – aber 50% mehr Einsätze

Es ist mittlerweile Allgemeingut: Jahr für Jahr steigen die Einsatzzahlen der Berliner Feuerwehr insbesondere im Rettungsdienst dramatisch an. Der jährliche Feuerwehrbericht spiegelt das. Allerdings sind die Jahreszahlen nur im Langzeitvergleich aussagekräftig. Seit 2004 hat sich die Zahl der Einsätze insgesamt um 43% auf knapp 400.000 erhöht. Im Rettungsdienst sogar um 53% – übrigens: die Zahl der Fahrzeugalarmierungen im Rettungsdienst sogar um 75%.

Allerdings hat all das den Senat nicht oder zu spät bewogen seinen Sparkurs zu korrigieren. Gab es im Jahr 2004 noch 4.199 Stellen bei der Berufsfeuerwehr, sind es heute nur noch 3.964. Zwar hat Innensenator Henkel seit 2011 immerhin 64 zusätzliche Stellen durchgesetzt, allerdings wurden diese komplett im Verwaltungsbereich eingesetzt. Im Einsatzdienst sind heute weniger Stellen als 2011 vorgesehen. Wen wundert es, dass die Zahl der Überstunden explodiert: von 220.000 in 2010 auf heute 390.000 – in vier Jahren angehäuft! Alle Zahlen können Sie der Antwort des Senats auf eine schriftlichen Anfrage von mir entnehmen. Auch der Berliner Kurier berichtete.

4. Freiwillige Feuerwehr am Limit

Die Freiwilligen Feuerwehren leisten eine gute und unverzichtbare Arbeit. Mindestens einzelne Freiwillige Feuerwehren werden jedoch aktuell weit über ein mit einem Ehrenamt verträgliches Maß belastet. Im Jahr 2014 wurde die Freiwillige Feuerwehr mehr als 2,5mal so häufig im Rettungsdienst ausgeschickt als noch im Jahr 2013. Dabei fällt auf, dass die Freiwilligen Feuerwehren längst nicht mehr an ihre Ausrückebereiche gebunden sind. Die FF Gatow beklagt auf ihrer Webseite beispielsweise, dass nur noch ein Drittel der Einsätze in Gatow selbst stattfinden.

Der Senat selbst gesteht zu, dass „durch die steigende Auslastung des Systems Notfallrettung kommt es immer häufiger zu Situationen, bei denen die in der Regelvorhaltung besetzten Rettungswagen in ihrer Region nicht mehr verfügbar sind.“ Die Freiwillige Feuerwehr würde als „Erste Hilfe“ eingesetzt. Sie können somit übrigens häufig auch nicht bei den Krankenkassen abgerechnet werden. Weiter heißt es: „Da die Ressourcen der Berliner Feuerwehr nicht im angemessenen Umfang angepasst wurden, gibt es tendenziell für alle Teile der Berliner Feuerwehr Erhöhungen der individuellen Belastung.“ Und: „Die Behördenleitung der Berliner Feuerwehr betrachtet die sehr hohe Einsatzbelastung einzelner Freiwilliger Feuerwehren mit Sorge, da hier mittelfristig negative Auswirkungen auf die Einsatzfähigkeit der Freiwilligen Feuerwehren befürchtet werden.“

Innensenator Frank Henkel muss schleunigst die Berufsfeuerwehr personell und technisch ausreichend ausstatten. Es darf nicht der Eindruck entstehen, dass die Freiwillige Feuerwehr als billiger Ersatz für die mangelnde Ausstattung der Feuerwehr herhalten muss. Mit dieser Strategie gefährdet de
r Senat die Akzeptanz der Freiwilligen Feuerwehren.

Die BZ berichtete zur Arbeit der Freiwilligen Feuerwehr.

5. Löschfahrzeuge im Rettungsdienst? – Geldverschwendung aus Geldmangel?

Weiterer Beleg für die absurden Folgen der Sparpolitik gefällig? Die Löschhilfefahrzeuge (LHF) werden aktuell dramatisch häufiger als sonst im Rettungsdienst eingesetzt. Im Jahr 2014 wurden die LHFs 20.534-mal eingesetzt, eine Steigerung im Vergleich zum Jahr 2013 um 42%.

Normalerweise werden LHFs im Rettungsdienst nur in Ausnahmesituationen eingesetzt, also zum Beispiel wenn die Rettungskräfte Zugang zu einer Wohnung schaffen müssen. Der jetzige Anstieg geht darauf zurück, dass „der zuständige Rettungswagen nicht verfügbar ist“, wie der Senat bestätigt. Das heißt auf gut Deutsch: wegen mangelnder RTWs musste 2014 mindestens 6.000x stattdessen ein LHF ausrücken. Diese LHFs können dann aber nur als First Responder, also zur Ersten Hilfe anrücken, da die medizinische Ausrüstung der Wagen sich auf die wesentlichen Geräte dafür beschränkt. Entsprechend können diese Einsätze auch nicht bei der Krankenkasse abgerechnet werden. Die LHFs müssen immer mit 6 Personen, statt 2 Personen beim RTW, ausrücken. Bei einer solchen Alarmierung betragen laut Auskunft des Senats die Mehrkosten 1387,18€/Einsatz im Vergleich zum RTW-Einsatz.

Da die meisten dieser Alarmierungen nur als „Zusatzbestellung“ (wie oben beschrieben) gelten, können sie gar nicht bei der Krankenkasse abgerechnet werden. Entsprechend wurden 2014 auch nur 143 Einsätze von LHFs abgerechnet – also gerade mal 0,7% der Alarmierungen. Die restlichen Kosten fallen so zu Lasten der Feuerwehr und damit des Landeshaushaltes. Wenn man nur die ca. 6.000 zusätzlichen Fahrten annimmt, die 2014 angefallen sind, weil der eigentlich zuständige RTW nicht verfügbar war, sind dies Mehrkosten von ca. 8.5 Millionen Euro. Der Berliner Kurier berichtete.

 

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