Cannabis – Kontrollierte Abgabe statt unkontrollierter Schwarzmarkt

Berlin, Skalitzer Straße im November 2014: Ganze 70 mal hatte ein Wirt bei der Polizei angerufen, um wieder Herr über sein eigenes Lokal zu werden. Drogendealer hatten seine Gäste belästigt. Hilfe von der Polizei kam zu wenig und zu spät – da platzte dem Mann der Kragen und er griff selbst zum Messer. Hektisch organisierte Innensenator Henkel daraufhin eine neue „Taskforce Görlitzer Park“, nachdem er gerade ein paar Tage zuvor die eigens eingesetzte Ermittlungsgruppe aufgelöst hatte.

Fast ein Jahr später ist es an der Zeit, eine Bilanz der Henkelschen „Null-Toleranz”-Politik zu ziehen. Bis Juli 2015 wurden fast 60.000 Einsatzstunden der Polizei aufgewandt. Dabei wurden 15 kg Marihuana und praktisch keine anderen Drogen am Görlitzer Park beschlagnahmt. Das macht fast vier Stunden Polizeieinsatz pro Gramm. Hut ab! Eine Veränderung kann selbst der Senat nicht feststellen. Für die Polizei ist es ein Kampf gegen Windmühlen. Die Polizeigewerkschaft sprach Mitte November 2014 davon, dass Polizisten „verheizt“ würden. Wenn Besitzer von Cannabis-Kleinstmengen nicht mehr verfolgt würden, könnten bundesweit auf einen Schlag „mehrere Tausend“ Stellen bei der Polizei freiwerden.

Die grüne Alternative heißt: kontrollierte Abgabe. Sie könnte den Weg frei machen für eine echte Bekämpfung der Drogenkriminalität. Denn – soviel Klarheit muss sein – Drogen können gefährlich sein, auch Cannabis. Wohlgemerkt: der unkontrollierte Schwarzmarkt, wie er jetzt besteht, führt zu schweren Gefahren für unsere Jugendlichen und Kinder. Jeder will selbstverständlcih seine Kinder vor Drogenmissbrauch schützen, sei es vor den spezifischen Gefahren von Alkohol, Tabak oder eben Cannabis.

Henkels „Null-Toleranz“-Politik führt jedenfalls in die Sackgasse. Prohibition hat noch nie funktioniert. Die Vertreibung der Dealer aus dem Görlitzer Park führt nur zur Verdrängung in andere Stadtteile – aktuell zum Kottbuser Tor oder zur Warschauer Brücke. Cannabis ist nicht die Einstiegsdroge für Nutzer – aber sehr wohl für Dealer. Die bei der Verfolgung von Kleinstkonsumenten eingesetzten Polizeikräfte wären besser beim Landeskriminalamt zur Bekämpfung der Organisierten Kriminalität und damit der Hintermänner von Drogenhandel eingesetzt.

Die grüne Bundestagsfraktion hat einen Gesetzentwurf für die kontrollierte Abgabe von Cannabis in ausgewählten Apotheken und Spezialgeschäften vorgelegt. Sie verspricht sich davon eine Austrocknung des kriminellen Milieus, eine Verbesserung des Jugend- und des Verbraucherschutzes und eine Entlastung von Polizei und Justiz. Die Produktionskette muss vom Samen bis zur Tüte kontrolliert werden. Steuermehreinnahmen und Verwaltungseinsparungen sollten für eine bessere Prävention und einen Ausbau der Suchtberatung für Jugendliche und Familien eingesetzt werden. Klar ist: ein Verkauf darf nur durch ausgebildete Experten erfolgen und ist an Jugendliche ausgeschlossen. Die Fachverkäufer sollen auch in der Lage sein, Missbrauch zu erkennen und entsprechend beratend einzugreifen.

Das Bezirksamt Friedrichshain-Kreuzberg hat einen Modellversuch für die kontrollierte Abgabe beantragt. Das zuständige Bundesamt hat diesen Antrag abgelehnt. Die Abgeordnetenhausfraktion hat auf meine Initiative einen Antrag beschlossen, der das Abgeordnetenhaus dazu auffordert, diesen Modellversuch zu unterstützen.

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